Der Unterschied zwischen einer positiven Lebenseinstellung und toxischer Positivität 

Bist du eher ein Optimist oder ein Pessimist?

Diese Frage lässt sich relativ einfach beantworten, wenn du dir überlegst, ob du das Glas eher halb voll oder eher halb leer siehst. Der Optimist sieht das Glas halb voll, der Pessimist sieht das Glas halb leer. 

Natürlich ist dieses Bild sehr plakativ und in sich selber nicht besonders aussagekräftig. Aber es hilft dir grundsätzlich zu verstehen, worum sich das Thema dreht, über das ich heute schreiben will. 

Denn das Thema der toxischen Positivität (toxic positivity) begegnet mir, als spirituelle Lehrerin, immer wieder und ich stosse immer wieder auf überraschte Aussagen und grosse Augen, wenn meine Studentinnen erkennen, dass ich durchaus wütend, traurig, schlecht gelaunt, temperamentvoll und so weiter werden kann. 

Oft höre ich dann Aussagen, wie: „Bist du denn nicht immer positiv eingestellt?“ oder „Hast du nicht ein schlechtes Mindset, wenn du traurig bist?“ 

Was versteht man unter einer positiven Lebenseinstellung oder einem positiven Mindset? 

Ich bin ein grundoptimistischer Mensch und da ich auch sehr viel Humor habe, ist es so, dass ich in den meisten schwierigen Situationen in meinem Leben in der Lage bin, eine höhere Perspektive einzunehmen und den lustigen Aspekt zu erkennen und darüber zu grinsen. 

Das - und mein tiefes Vertrauen in meine geistige Führung, die mich noch nie im Stich gelassen hat - hilft mir dabei, in den meisten Situation ruhig zu bleiben, über mich und mein Verhalten zu lachen und eine Lösung zu suchen. 

Egal, was ich vorhabe: Ich gehe jede Aufgabe mit der Annahme an, dass es gut werden wird, dass ich Freude daran haben werde und dass das Resultat grossartig wird. Das führt dazu, dass ich ständig grossartige Menschen kennenlernen. Denn ich gehe immer davon aus, dass jeder Mensch interessant und nett ist und da ich diese Erwartung habe, können die meisten Menschen gar nicht anders, als mir auch so zu begegnen.
Das füllt meinen Lebensrucksack mit wunderbaren Begegnungen, tiefen Freundschaften und den interessantesten Wendungen in Begegnungen mit meinen Mitmenschen. 

Lass es mich dir in einem Beispiel erklären:

Stell dir vor, du kaufst in einem Laden ein Bettlaken und stellst Zuhause fest, dass es zu gross ist. Du hast es aber schon gewaschen und vorher nicht überprüft, ob die Grösse auch wirklich stimmt. 

Nun trägst du dein Bettlaken zurück in den Laden und möchtest versuchen, es umzutauschen, obwohl du eigentlich weisst, dass das nicht möglich ist. 

Wenn du nun zu der Verkäuferin gehst und sagst: „Ich habe ein Problem, Sie müssen mein Problem lösen, etc.“, dann wird die Verkäuferin in deinem Anliegen ebenfalls ein Problem sehen. Denn du hast ihr Fokus auf das Problem gelegt.

Wenn du allerdings fragst, wer in dem Laden für Lösungen zuständig ist und wer von den Mitarbeitern lösungsorientiert ist, dann wirst du mit jemandem zu tun haben, der seinen Fokus ebenfalls auf eine Lösung richtet. In dem du deine Wortwahl, deinen Fokus und dein Mindset auf „Lösung“ ausrichtest, wirst du auch eine Lösung finden. 

Das ist ein ganz einfaches Beispiel, wie du in deinem Leben deinen Fokus auf das Positive und die erfreulichen Ergebnisse richten kannst.

Wenn du eine positive Lebenseinstellung hast, dann werden deine Gedanken im Normalfall auf das Gute, das Erfreuliche und das Positive gerichtet sein.

Du hast dann eben eher eine Herausforderung, ein Experiment oder ein Abenteuer, als dass du eine Blockade hast.

Denn das Wort Blockade weisst nicht auf eine Lösung hin, während ein Abenteuer irgendwann vorbei ist und du dich davon wieder erholen kannst.

Was aber, wenn die Situation ganz objektiv gesehen schlecht ist?

Eine positive Lebenseinstellung ändert nichts daran, die Situation, in der du gerade steckst, realistisch anzuschauen. Wenn wir bei unserem Beispiel des Bettlakens bleiben, dann ist dir bewusst, dass du den Fehler gemacht hast und der Laden nicht verpflichtet ist, dir gegenüber kulant zu sein. 

Wenn du in dieser Erkenntnis und Ehrlichkeit auf das Personal zu gehst, wird sich vermutlich eine Lösung zeigen - egal, wie unwahrscheinlich dies scheint. 

Nun gibt es aber auch Situationen, in denen du echte Hilfe brauchst oder Unterstützung in Anspruch nehmen solltest. Wenn du dir den Arm gebrochen hast, brauchst du einen Arzt. Egal, wie positiv deine Lebenseinstellung ist - der Arm wird ohne Gips vermutlich nicht wieder gerade zusammenwachsen und du weisst, dass du Hilfe brauchst.

Noch wichtiger ist das, wenn du zum Beispiel in einer Beziehung bist, in der es zu Übergriffen oder Missbräuchen kommt. Durch eine positive Lebenseinstellung kannst du nichts an der Situation ändern, wenn zum Beispiel dein Lebenspartner Alkoholiker ist und dich regelmässig schlägt. Dann bist du dir selber gegenüber in der Verantwortung, die Situation klar zu beleuchten. 

Ich bin eine Freundin von zweiten Chancen. Jeder Mensch bekommt von mir eine zweite Chance. Aber eine dritte und vierte Chance kann es nicht geben, wenn der Mensch keine sichtliche, messbare und nachhaltige Veränderung in seinem Verhalten zeigt. Wenn ich in dem Fall bleibe und mir einbilde, dass alles besser wird, wenn ich es nur fest genug glaube, dann ist das eben eine Form der toxischen Positivität oder auf englisch „Toxic positivity“.  

Was genau ist denn die Toxic positivity und was unterscheidet sie von einer positiven Lebenseinstellung?

Unter der toxischen Positivität versteht man das aktive Wegschauen. Das Wahrnehmen einer Situation und dich dann zu entscheiden, dass du nur gut genug sein musst, stark genug glauben musst, damit sich die Situation verändert

Ich bin sicher, dir sind auch schon Menschen begegnet, die scheinbar sehr spirituell waren und die dir Dinge gesagt haben, wie: „Es ist alles gut“. „Meine Seele hat das so entschieden, dass ich mit einem Schläger lebe“. „Ich liebe alle Menschen und ich akzeptiere alles, weil wir alle verbunden sind“. 

Diese Aussagen weisen auf Menschen hin, die sich in ihrer Spiritualität verlieren und den Bezug zum Leben und zu den Aufgaben ihrer Seele verloren haben. 

Oft hat das Verhalten damit zu tun, dass diese Menschen Angst davor haben, klare Grenzen zu setzen und sich für sich selber einzusetzen. Wenn wir tiefer in die Thematik eintauchen finden wir oft heraus, dass sich dahinter eine übergrosse Angst verbirgt, verlassen zu werden und alleine zu sein. Und so entscheiden sich die Menschen dafür, in unglücklichen, übergriffigen Beziehungen aller Art festzustecken, anstatt sich für sich selber zu entscheiden. 

Unter dem Deckmantel der Spiritualität (oder einer anderen Lebensüberzeugung) wird dann alles einfach akzeptiert und man ist bereit, aktiv wegzuschauen. 

Vielleicht hast du schon mal den Spruch gehört:

 „Wenn du auf die rechte Wange geschlagen wirst, halte auch noch die Linke hin.“ Dieser Spruch stammt, aus dem Matthäus Evangelium der Bibel und soll den guten Christen beschreiben, der eben bereit ist, sich zu opfern. 

Aber das ist nicht der Grund unseres Daseins. Wir sind nicht hier, um Opfer zu sein, sondern wir sind hier, um zu lernen, zu erkennen, zu reflektieren und um uns weiter zu entwickeln.

Natürlich sind wir mal in der Rolle des Opfers. Denn das ist unsere Möglichkeit, etwas zu lernen und zu wachsen. Aber wenn wir uns aktiv dafür entscheiden, das Opfer zu bleiben, werden wir unserer Seele und unserem Lebensplan gegenüber untreu und wir verleugnen den Grund unseres Daseins. 

Wenn wir von einer positiven Lebenseinstellung in die toxisches Positivität (toxic positivity)rutschen, passiert genau das. 

Warum ist eine toxische Positivität so gefährlich? 

Unter dem Deckmantel der „Positivität“ entsteht die Lebenshaltung eines optimistischen Opfers. Eines Menschen, der alles, was ihm passiert als „gegeben“ hinnimmt und der sich niemals wehrt. Dies allerdings immer mit einem verständnisvollen Lächeln auf dem Gesicht und der Überzeugung, dass man damit besonders viel Karma abarbeitet oder die Seele sich dadurch besonders weit entwickelt

Dieses Verhalten kann man übrigens nicht nur in spirituellen Kreisen sehr deutlich sehen, sondern stark auch in fundamentalen Sekten. In diesen Sekten ist oft die Haltung, dass man immer nett, freundlich und mit einem Lächeln auf dem Gesicht durch’s Leben gehen sollte und akzeptieren muss, was immer einem passiert. 

Genau diese Haltung führt letztendlich zu Missbrauch. Denn wenn du nicht für dich selber und deine Grenzen eintrittst, wer sollte es denn sonst tun?

Wenn wir beim Beispiel des alkoholkranken, schlagenden Partners bleiben: Wieso sollte er damit aufhören, wenn du alles verzeihst und wenn du immer Verständnis für ihn aufbringst? 

Indem du keine Grenzen setzt und immer ein strahlendes Lächeln, Verständnis und Vergebung auf den Lippen hast, motivierst du dein Gegenüber mit seinem Verhalten weiter zu machen. Und damit trägst du zu einer Abwärtsspirale bei, die nur in der Eskalation enden kann. 

Toxische Positivität ist brandgefährlich.

Und das nicht nur für die Menschen, die sich dahinter verstecken, sondern auch für die Entwicklung der Erde. Denn du kannst so spirituell sein, wie du möchtest: Wenn du nicht lernst, wirklich hinzuschauen, wirklich zu reflektieren, wirklich zu wachsen, trägst du dazu bei, dass die Schwingung der Erde tief gehalten wird

Du trägst dazu bei, dass dein Licht nicht leuchten kann. Und du trägst dazu bei, dass sich die grosse Veränderung nicht manifestieren kann

Was kannst du tun?

Wenn du erkennst, dass du selber diese toxische Positivität (toxic positivity) lebst, dann beginne damit, Grenzen zu setzen. Lerne für dich zu erkennen, was eigentlich gut für dich ist und was nicht. Und fange an, deine Bedingungen und deine Bedürfnisse erst mal für dich zu artikulieren

Erst wenn du fühlen kannst, was du eigentlich möchtest, kannst du anfangen, diese Bedürfnisse ins Aussen zu tragen. Dieser Prozess kann ganz schön schmerzhaft sein, denn du wirst dabei anfangen, dich selber, deine Verhaltensweisen, deine Lebensgeschichte und deine Lebenssituation zu analysieren und zu reflektieren. 

Ein Leben in der toxic positivity ist ein Leben als hingebungsvolles, annehmendes Opfer. Wenn du erkennst, dass dies dein Leben ist, dann wirst du auch erkennen, dass es ganz schön schmerzhaft ist, diesen Prozess nun anzugehen und aus der Opferrolle heraus zu kommen

Darum hole dir Hilfe dabei. Lasse dich unterstützen. Du bist nicht allein in diesem Prozess, sondern kannst genau die Hilfe annehmen, die für dich die Richtige ist. Sei es nun eine klassische Psychotherapie oder auch eine alternative Trauma- oder Rückführungstherapie.

Es gibt da draussen so viel Hilfe, die du annehmen darfst. Vielleicht wäre es für dich auch eine Idee, deine geistige Unterstützung wirklich kennenzulernen und zu erkennen, wie hilfreich sie an deiner Seite sind. 

Wenn du für dich gelernt hast, diese Grenzen zu erkennen, kannst du anfangen, sie im Aussen zu setzen. Das wird am Anfang schwierig sein, aber du wirst es lernen und du wirst erkennen, dass du immer stolzer sein wirst, je öfters du eine klare Grenze gesetzt hast und je mehr du lernst, dich für dich selber einzusetzen. 

Du hast es dir verdient. 

Notiere dir solche Erfolge unbedingt! Wenn du lernst, diese Schritte aufzuschreiben, hast du später in deinem Leben jederzeit die Möglichkeit, sie wieder durchzulesen und dich daran zu erinnern, wie es sich angefühlt hat. Das macht es wiederum viel einfacher, weitere Grenzen zu setzen und dich ein weiteres Mal für dich zu wehren. 

Eine positive Lebenseinstellung ist ein Geschenk. Es hilft dir, auch in schwierigen Situationen den Mut und den Humor nicht zu verlieren und zu wissen, dass du jederzeit von deinem geistigen Team getragen wirst. 

Aber das ändert nichts daran, hinzuschauen, in die Selbstverantwortung zu gehen und zu erkennen, wo in deinem Leben du den Kopf im Sand vergraben hast. 

Alles Liebe,

Marisa


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